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Der angelegte Anschlag (englisch rest stroke)
In den letzten Tagen habe ich einige Mails zum Thema Anschlag
geschrieben und möchte diese Diskussion hier zusammenfassen - das
dürfte für viele interessant sein:
Frage:
Werden prinzipiell
beide Saiten eines Saitenpaares angeschlagen oder jeweils nur eine.
Gerade bei schnellem Wechselschlag klingt es furchtbar, wenn ich beide
Saiten eines Saitenpaares anschlage. Viel angenehmer klingt es in
meinen Ohren, wenn ich jeweils nur eine Saite schlage. Außer beim
Tremolo natürlich, der einzige Grund den ich mir für
Doppelsaiten
denken kann. Bei Bluegrass-Musikern glaube ich gesehen zu haben, dass
sie nur eine Saite anschlagen, außer beim Tremolo und Strumming
natürlich. Gibt es feste Regeln? Für klassische Musik sicher,
aber wie
sieht es bei den anderen Richtungen aus?
Antwort:
Danke für ihre Anfrage über meine Homepage MandoIsland. Ich
versuche ihre Frage kurz zu beantworten:
Die Doppelsaiten der Mandoline werden in der Regel auch beide
angeschlagen, es gibt aber verschiedene Varianten.
Normalerweise
erfolgt der Anschlag etwas schräg zur Decke bzw. Saitenebene.
Dabei
trifft der Abschlag beide Saiten, der Aufschlag nur die obere der
beiden Saiten (oben ist räumlich gesehen aber unten, dort wo die
höheren
Saiten sind). Bei diesem Anschlag muss die Hand keine Kurven machen,
sondern kann sich auf einer geraden Linie hin und her bewegen. Das
Plektrum muss so locker gehalten werden, dass es beim Anschlag nachgibt
(ansonsten würde es die Bewegung abstoppen). Der Abschlag sollte
im
übrigen immer an die nächste Saite geführt werden, also
nicht selbst
bremsen, sondern die Bewegung an der nächsten Saite abstoppen
lassen.
Bestimmte
Abschläge erfordern, dass die Bewegung an der nächsten Saite
vorbei
geführt wird, in diesem Fall macht die Hand eine bogenförmige
Bewegung
zur Decke hin und wieder weg und trifft die Saite beim Abschlag in
einer Bewegung etwa parallel zur Decke, auch dabei werden beide Saiten
getroffen (zumindest soll es so sein).
Beim tremolo kann man die oben beschriebene schräge Bewegung machn
(Abschlag zwei Saiten, Aufschlag eine Saite) oder aber parallel
zur
Decke anschlagen, sodass sowohl Ab- wie Aufschlag beide Saiten treffen.
In diesem Fall können sowohl Abschlag als auch Aufschlag an die
jeweilige Nachbarsaite anschlagen. Diese parallele Anschlagsbewegung
ist vor allem natürlich erforderlich beim Tremolo über zwei
oder mehr Saiten.
Wenn
es nicht gut klingt, dann liegt das am ehesten daran, dass die beiden
Saiten nicht ganz genau übereinstimmen. Das Stimmen der
Doppelsaiten
erfordert deshalb etwas Übung. Wichtig ist beim Stimmen, dass man
immer
zuerst tiefer stimmt und die Saite dann langsam hoch stimmt, bis der
richtige Ton erreicht ist. Die Saite sollte dabei ohne Widerstand
über
Steg und Sattel gleiten, sonst baut sich eine Überspannung auf,
die
sich dann beim Spielen wieder löst und damit die Saite wieder
verstimmt.
Wichtig
ist auch, dass man immer beide Saiten bei den Doppelsaiten gleichzeitig
wechselt und zwei identische Saiten verwendet, sonst ist es
unmöglich
beide Saiten gleich zu stimmen.
Die Anschlagbewegungen sind sehr gut in der Schule von
Bickford beschrieben (auf englisch), gibt es als ebook (Link irgendwo
auf meiner Homepage).
Lieber Herr Reichenbach!
Vielen Dank für Ihre sehr hilfreichen Erläuterungen.
Jetzt
weiß ich zumindest, dass die beiden Saiten ihre Funktion haben
und
diese auch genutzt wird. Ab und Aufschlag sind dann aber doch irgendwie
ungleichgewichtig. Einmal beide Saiten dann nur eine. Auf einem Video
(amerikanischer Musiker), dass ich mir bestellt hatte, wurde jedoch
immer nur eine Saite angeschlagen, in einem amerikanischen Buch jedoch,
wurde wiederum immer von beidsaitigem Auf- und Abschlag gesprochen, es
scheint da zumindest im amerikanischen Raum keine einheitliche zu
geben.
Vielleicht nimmt sich ja doch irgendwann einmal ein Profi
dieses Problemes an. Ein Buch über die verschiedenen Techniken,
wann
und warum und wie sie angewendet werden scheint es nicht zu geben? Ich
wäre sicher einer der ersten Kunden, die dieses Buch kaufen
würden.
Vielleicht ist es ja für Sie auch eine Anregung, zumindest
für einen
Artikel, der die Gilde der Mandolinenspieler mit Sicherheit sehr
interessieren würde.
Wenn Sie im Internet http://www.homespuntapes.com/catagory/default.asp?catID=22&ctype=i
anklicken,
haben Sie die Möglichkeit in ein paar Videos hineinzuschauen ...
und
dann verstehen Sie vielleicht auch meine Verunsicherung, denn hier
scheinen die Musiker meist nur eine Saite anzuschlagen.
Welche Videos haben sie den, bei
welchem meinen sie, dass nur eine Saite angeschlagen wird?
Ich
habe Sam Bush und Chris Thile angesehen, dabei kann ich aber nicht
nachvollziehen bzw. erkennen, dass nur eine Saite angeschlagen wird,
ich denke eher, dass diese beiden den Anschlag bogenförmig und im
Bereich der Saite parallel zur Decke spielen, sodass beide Saiten
angeschlagen werden. Das Video von Chris Thile habe ich selbst und
werde es mir bei Gelegenheit noch einmal ansehen, ich bin aber 100%
sicher, das Chris Thile immer beide Saiten Anschlägt, es sei denn
er
will es anders.
Prinzipiell gibt es - wie bei der Gitarre -
einen freien Anschlag (an der nächsten Saite vorbei) und einen
angelegten Anschlag (an die nächste Saite ran) - beides ist
richtig,
beides sollte man beherrschen. Je vielseitiger man ist, umso besser.
Der
angelegte Anschlag wird vor allem in Deutschland stark vertreten, hier
gibt es die Schule von Marga Wilden-Hüsgen (Professorin für
Mandoline
in Köln/Aachen) - schauen sie mal bei ebay, dort wird sie ab und
zu
angeboten. Ich finde die Auswahl der Stücke und anderes nicht sehr
gut,
aber die Beschreibung der Anschlagstechnik ist sicher ausgezeichnet.
Mit dem angelegten Abschlag über zwei Saiten
erreicht man einen vollen, lauten und runden Ton wie er in Deutschalnd
gewünscht ist, besonders für langsame Stellen.
Mit dem freien Anschlag (+ andere Saiten + dünneres Plektrum + + +
) erreicht man einen helleren, obertonreicheren Ton. Für bestimmte
Akkordzerlegungen ist der freie Anschlag ideal.
Ein
anderer amerikanische Spieler, Jesse McReynolds hat eine ganz andere
Technik, bei ihm könnte ich mir eher vorstellen, dass er jeweils
nur
eine Saite anschlägt - aber an dieser Technik würde ich mich
nicht
orientieren, obwohl ich die Stücke von Jesse McReynolds und sein
crosspicking mag - ich mache es aber ganz anders als er.
Sie sehen, es gibt nicht die einzige Wahrheit - wie alle Dinge gibt es
hunderte von Möglichkeiten.
Vielen Dank Herr Reichenbach!
Bei Steve James glaubte ich dies gesehen zu haben. Ist wohl auch egal,
denn wie Sie schon
sagten, es gibt auch hier nicht die eine Wahrheit. Auf jeden Fall wird
auf all den Videos
die ich mir angeschaut habe der freie Anschlag gespielt.
Ergänzend hier ein Link zu
einem Artikel zum Thema rest
stroke. Unter rest stroke wird genau der angelegte Anschlag
verstanden, der an die nächste Saite herangeführt wird. Mit
diesem Anschlag kann man das größte Volumen beim Anschlag
erreichen.
Artikel zum Thema auf www.flatpick.com